Zwischen Schweigen und Scham
Hinterlasse einen Kommentar4. Mai 2015 von killesberger
Vor 70 Jahren endete der 2. Weltkrieg. Niederlage oder Befreiung? Diesen Zwiespalt zeigten auch die Reden der Nachkriegspolitiker. Die berühmteste Rede zum Jahrestag des Kriegsendes hielt sicher Richard von Weizsäcker 1985. Doch er war weder der erste noch der einzige Bundespräsident, der an den 8. Mai 1945 erinnerte. Die Reden der deutschen Staatsoberhäupter zu diesem Anlass spiegeln exemplarisch, wie sich Deutschland der Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg annäherte und welche Themen jeweils mit diesem Datum verknüpft wurden. So gedachte erst 1970 Bundespräsident Gustav Heinemann in einer offiziellen Rede des Kriegsendes – 25 Jahre nach der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands. In den frühen Reden der Bundespräsidenten zu diesem Anlass kam der Völkermord an den Juden nur am Rande vor, und sie zogen zudem eine feine Linie, die Hitler und die Nationalsozialisten von den „verblendeten“ Deutschen trennte. Erst nach und nach stellten sich die Bundespräsidenten der Verantwortung aller Deutschen für die NS-Verbrechen, während sie gleichzeitig zunehmend selbstbewusst den deutschen Beitrag zu Frieden, Freiheit und internationalem Wohlstand unterstrichen. Die Reden der Staatsoberhäupter zum Kriegsende sind spannende, zeithistorische Dokumente, aber fast vergessen.
Zum 70. Jahrestag des 8. Mai 1945 sind im Theodor-Heuss-Haus alle Reden dazu im Wortlaut zu lesen und einige von ihnen auch auszugsweise zu hören. Das Stuttgarter Wohnhaus des ersten Bundespräsidenten ist für diese Zusammenschau ein besonders passender Ort, hat doch Theodor Heuss bereits am 8. Mai 1949 des Kriegsendes gedacht – damals noch kein Bundespräsident, sondern Abgeordneter des Parlamentarischen Rates. „… erlöst und vernichtet in einem …“ seien die Deutschen gewesen; so fasste Heuss die ambivalente Bedeutung des Kriegsendes für viele Deutsche damals zusammen. Theodor-Heuss-Haus, Feuerbacher Weg 46, Sonntag, 10.5.2015, 10-18 Uhr; Original-Ton-Vorführung: 11 und 14 Uhr.
Foto: Wikipedia/Wikimedia Commons, Pim Zeekoers, Holocaust-Gedenkstätte, Berlin.